Archiv der Kategorie: Radtour

Auf und Ab im großen Walsertal

Bludenz – Raggal – Blons – Rankweil 42 km 777 hm

Letzter Tag. Der Ehrgeiz war heute auch wieder nicht unendlich, sodass wir das Faschinajoch und den Furka nicht mehr in Erwägung zogen. Dafür wollten wir auf jeden Fall vor Rückkehr in flache Bodeseegefilde einen Abstecher durchs große Walsertal machen, das auch perfekt radtourengeeignet auf beiden Talseiten befahren werden kann. Und Kletterei war durchaus noch dabei, ganz langweilig war auch diese Nummer nicht.

Auch dieser Tag beschenkte uns wieder mit tollem Wetter. Am Nordhang entlang rollend verließen wir Bludenz in westlicher Richtung. Ist doch so etwas wie eine Stadt – lange fuhren wir durch Vororte und Wohngebiete.

Dann sieht man das Unheil mal wieder schon von weitem. Die Richtung wechselt und man hat einmal wieder eine gefühlt diagonale Rampe vor sich. Diese führte als Nebenstraße auf die Landstraße, die auf den Nordseite des großen Walsertals nach Raggal führt.

Und die Rampe war so gemein wie sie von weitem aussah. Wir mussten schon gleich wieder zu Beginn des Tages weinen. Dabei hatten wir die Planung doch eher wenig ehrgeizig angelegt um den Tränenfluss auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Dann schwenkten wir auf die Straße nach Raggal ein. OK, das war wieder einmal der Nebenstraßen-Effekt gewesen – die Landstraße war zwar auch kein Rollerberg, aber erwies sich als machbar. Schön ruhig kletterten wir Meterchen um Meterchen größtenteils durch schattigen Wald wieder aus dem Tal hinaus.

Kurz vor Raggal mit schon schöner Sicht auf die andere Talseite.

Raggal ist dann durchaus so etwas wie eine Passhöhe. Man ist hier wieder viel mehr in den Bergen drin als in Bludenz. Liegt ja auch nur hauchdünn unter 1000 Metern. Aber was für ein schönes Tal: wenig los und umgeben von grünen Hängen, doch schon wieder mächtigen Gipfeln und gemütlichen Dörfern. Der Tourismus wird hier nur sehr behutsam betrieben. Das große Walsertal ist UNESCO-Biosphärenpark und den großen Rummel sucht man hier vergebens. Zum Glück gibt es noch solche Rückzugsorte, wo Natur und Mensch im Einklang scheinen.

Kurz hinter Raggal. Geht schon wieder bergab.

Nach Raggal stürzt sich die Straße wieder hinunter zum Flüsschen Lutz. Ist ja auch klar, wenn man auf die andere Talseite will, muss man das zugehörige Gewässer queren. Daher wieder in die andere Richtung, zunächst wieder einmal hinauf.

Man kurbelt sich nach Blons hinauf. Viele schöne Aussichten auf die Talseite, wo man eben noch war, tun sich auf. Auch an dieser Seite will man sich kaum sattsehen. Hinter Blons kommt man bald nach St. Gerold, wo es tatsächlich einen geöffneten, sehr urigen Landgasthof gab. Die Gelegenheit ließen wir nicht ungenutzt, obwohl es für Mittag noch etwas früh war. Nichtsdestotrotz hatten wir einen wunderbaren Kaiserschmarrn resp. Vesperteller mit allerbester Balkonaussicht. Man ist hier wieder auf der Höhe des Tals und hat den allerbesten Weitblick, der das ganze schöne Tal überspannt.

Österreichische Balkonblumen. Bestimmt alle gedopt. Der traditionsreiche Gasthof Kreuz in St. Gerold.

Fast schon ein bisschen abschiedstraurig machten wir uns auf die letzte Teiletappe. Aussichtsreich und rasant schmiegt sich ein Sträßchen stetig fallend am Hang entlang, um uns direkt in Rankweil wieder auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen zu lassen. Von hier nahmen wir die Bahn, Bodenseetalebene ist nun wirklich etwas, was wir oft genug beradeln. Und so konnte man den Tag im Strandbad ausklingen lassen und sich wehmütig aber glücklich auf fünf tolle Alpenradeltage zurückerinnern.

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Über die Bieler Höhe

Ischgl – Galtür – Bieler Höhe – Bludenz 69 km 800 hm

Alles schien an diesem Morgen wiederauferstanden: die Knieprobleme des halben Teams waren weg und der Himmel war wieder blankgeputzt blau mit hübschen strahleweißen Wölkchen garniert und die Sonne schien, als wäre sie nie weggesehen. So starteten wir gut gelaunt in diesen Tag,.

So ein schönes Wetter wieder.

Und noch besser: ab Ischgl verläuft ein Radweg durchs Tal, der auf feinstem Asphalt völlig autofrei sehr lauschig zum Teil direkt am Fluss verläuft. Diese ersten Kilometer, dazu noch ziemlich flach, waren ein absoluter Genuss! Der einzige steile Stich, der uns kurz nahezu das Leben nahm, ertappte sich als zu spät gesehenes Schild, und wir durften diese Stufe wieder hinunterfallen und dem angenehmen Weg auf der anderen Seite der Straße weiter folgen.

Kurz hinter Galtür verließ uns dann der Radweg, der zum Zeinissee hinaufführt. Wir mussten wieder auf die Straße. Die aber auch nicht zu belebt war, offensichtlich waren am Vortag schon weniger motorisiert angereist. Die hohe Mautgebühren von fast 30 Euro scheint aber nur Wenige abzuschrecken. Wie war das nochmal mit dem allfälligen Gejammer über steigende Preise?

Nichtsdestotrotz rollte man durch eine erhabene Landschaft: weite Berghänge, der Baumbewuchs wird spärlicher, dafür schaut mehr und mehr Weidegetier dem Treiben auf der Passtraße zu. Alle Motorisierten sind offensichtlich im Freizeitmodus – überall wird angehalten und immer wieder neue Aussichten bewundert und vielfach fotografiert. Fast unmerklich – oder hinterlistig – zieht die Steigung der Straße an. Zur Passhöhe hin sind tatsächlich noch einmal ein paar richtig alpine Serpentinen zu überwinden. Und als ich dann feststellte, dass ich noch gar nicht in den kleinsten Gang geschaltet hatte, war mir mein eigenes Gekeuch auch recht plausibel.

So eine schöne Passstraße.

Die Passhöhe war dann doch recht schnell erreicht. Von dieser Richtung landet man an der Staumauer des Silvretta-Stausees, wo wir gut gelaunt auf der Wiese sitzend einen wohlverdienten Riegel kauten. Dann weiter zur eigentlichen Passhöhe, dort ein Foto am Geländer neben dem Hotel. Den ungläubigen Blick des Motorradfahrers, der mein Liegerad beäugte, beantwortete ich ungefragt: „Ja, ich bin mit diesem Rad hier rauf gefahren!“ Dafür machte er noch ein paar Gruppenfotos von uns, bevor wir uns wieder in Richtung Tal verabschiedeten.

Aber… Das Passhöhen-Schild kommt tatsächlich erst auf der anderen Seite nach den ersten Bergab-Meterchen. Ich brüllte noch dem Rennrad hinterher, dass hier ein Foto Pflicht sei, aber da war nichts mehr zu machen. Das Rennrad war so scharf auf den Bergabsturz in den Perlenketten-Serpentinen, dass ich nicht einmal mehr das nicht angeschaltete Rücklicht sah. Egal, vom Liegerad wurde ein Foto am Schild gemacht, und als ich dann losfuhr, hatte ich ein etwas behäbiges Wohnmobil vor der Nase.

Das Rennrad war leider schon abgefahren.

Was ich bis unten nicht mehr loswurde, aber immerhin verschaffte es mir die Möglichkeit, besagte perlenkettenartige Reihe von Serpentinen zu fotografieren, die so spektakulär selten zu finden ist. Fünf Kurvenfahrten weiter hatte ich wieder die silbergraue Wohnmobilrückwand vor mir – naja, was soll’s.

So eine schöne Passstraße.

Thea war schon lange vor mir im Tal – so einen großen Zeitunterschied hatten wir beim Bergauffahren nie herausgefahren. Kurz bevor sie sich wirklich Sorgen um mich machte, setzte ich auf der Tallandebahn in Partenen auf und wir freuten uns über die schöne Passfahrt, die wir gerade sowohl bergauf als auch bergab gehabt hatten.

Im schönen gemütlichen Partenen kehrten wir zur mittäglichen Stärkung ein und beschlossen als Tagesziel Bludenz anzusteuern. Die verbliebenen ungefähr 25 Kilometer verliefen wieder auf hervorragender Radwegführung, und in dieser Richtung ständig mit leichtem Gefälle. Daher waren wir ruckzuck in Bludenz angekommen. Und gönnten und in der schönen Innenstadt ein kühlendes Getränk.

Das Hotel stellte uns vor die letzte Herausforderung des Tages. Das Schlosshotel thront auf einem Hügel direkt über der Altstadt. Wir hatten also noch einmal wenige Minuten Gekurbel, die sich aber wegen der spektakulären Lage wirklich gelohnt hatten. Von unserem Balkon konnten wir die Aussicht auf Rätikon und Brandnertal genießen und am Abend hatte ich mich erst sattgesehen, als es absolut stockdunkel war.

Betongrau

Landeck – Ischgl 29 km 650 hm

Grau. So fing schon mal der Tag an. Zum Glück war es trocken, aber sämtliche Anhöhen in der Nähe hüllten sich in dichtes Grau-weiß. Kein Wetter für einen Übergang der 2000-m-Klasse, wie es der für diesen Tag geplante Kühtaisattel gewesen wäre.

Und außerdem hatte die Hälfte der Mannschaft Knie. Es ist ja immer gut, zwei Gründe für eine Planänderung zu haben, Deswegen führte uns die erste Teiletappe des Tages zunächst mal auf den Bahnsteig. Der Plan war, durchs Inntal nach Landeck zu gelangen, und wir hatten beide keine Lust, das bei dem trüben Wetter per Rad zu erledigen, das Raderlebnis im Inntal ist nach solchen Highlights eher unterdurchschnittlich. Also reisten wir nach Landeck per Bahn.

Inzing Gleis 2

Dort angekommen, verließen wir die Stadt schnellstmöglich. Im letzten Jahr hatten wir immerhin dort Rast gemacht, aber das Innenstadterlebnis ist ebenfalls nicht sehr herausragend.

Nach einigem recht angenehmen Radweg-Hin-Und-Her schwenkten wir ins Paznauntal ein. Und mussten den Radweg bald verlassen, um auf der Landstraße weiter zu reisen. Was ob des trüben Wetters ganz erträglich war, vermutlich hätte es sonst ungleich mehr Ausflügler aller motorisierten Arten hier gegeben.

Die Straße zog in gleichmäßiger, nicht zu aufdringlicher aber doch stetig spürbarer Steigung hinauf. Das trübe Wetter ließ uns angenehm temperiert und so erkurbelten wir uns Kilometer für Kilometer. Aus der Kurbellethargie riss uns nur einmal ein recht langer Tunnel, in dem die Steigung dann eher etwas spürbarer war. Der wirkte dadurch und durch den Höllenlärm unendlich lang – nicht das erhebendste Erlebnis im Radtourenalltag. Aber auch diese Herausforderung überlebten wir.

Lebend aus dem Tunnel herausgefunden.

Ganze zwei Stunden waren wir an diesem Tag unterwegs, bis wir schließlich das Ortsschild von Ischgl erreichten. Seltsamerweise sieht man den den Ort sich auf der linken Talseite hinaufziehen, aber eine einfach einsehbare Zufahrt hat dieser Ort irgendwie nicht. Wie in eine moderne Trutzburg rollten wir ins Innere eines Betonwalls, wo offensichtlich ein Fußgängerzugang existierte. Was dann bedeutete, dass wir in einem Treppenhaus landeten, wo wir über gefühlt zehn Stockwerke die Räder hinauftrugen. Und landeten in einer vollkommen unübersichtlichen Anhäufung von Gebäuden, die zu touristischen Zwecken errichtet wurden. Selbst wenige Meter vor unserem Hotel mussten wir unser Ziel noch suchen.

Letztlich nahmen wir auch diese Hürde, checkten ein und begaben uns auf Nahrungssuche. Am frühen Nachmittag gestaltete sich das durchaus nicht völlig einfach. Der Dorfteil, indem unser Hotel stand, hatte kollektiv geschlossen, aber offensichtlich waren wir auch nicht ganz im Zentrum dieser 380 Hotels. Welches wir fanden, nachdem wir uns in einen Tunnel begaben, in dem wie auf dem Flughafen Fußgänger über ein Laufband von der Bergbahn ins Zentrum hin- und hergeschleust werden. Die Perversion alpiner Romantik.

Die „Zufahrt“ zur Hoteltiefgarage. Ein SUV-tauglicher Aufzug, der vier Stockwerke in die Tiefe des Bergs hinabführte.

Teuer aber gut wurden wir versorgt. Anschließend widmeten wir uns nur noch einem Programmpunkt – was wir schon am Vortag geplant hatten – und verbrachten den restlichen Nachmittag im Wellnesszentrum des Hotels. Wo uns das immer schlechter werdende Wetter nicht einmal die Sinne trübte.

Ausgerollt

Klosters-Serneus – Grüsch – Landquart – Triesen – Feldkirch 70 km

Zumindest regnete es nicht mehr. Eigentlich hatte ich ja im Hinterkopf, so schnell wie möglich eine Bahn zu besteigen und damit wieder nach Hause zu fahren. Allerdings lag unser Hotel so oder so nicht wirklichen der Nähe eines Bahnhofs, sodass die Abreise auf jeden Fall per Rad erfolgte.

Das Hotel Bad Serneus. Ein wunderschön altmodisches Kurhotel.

Aber dann! Ein zumeist deutliches munteres Bergab meistens auf der alten Landstraße. Die Autos hatten im ganzen Tal eine breite, gut ausgebaute Schnellstraße, sodass wir völlig unbehelligt vom Verkehr die ganzen 30 km Tal zum Ausrollen hatten. Und wir kamen natürlich durch die schönen Dörfer, wo sich früher der ganze Verkehr entlang gewalzt hatte und die jetzt ruhig dalagen.

Tief eingeschnitten: das Prättigau

Wir mussten zunächst mal kräftig rauf. Das Hotel war ja wildromantisch direkt am Landquart gelegen, der hier ein tief eingeschnittenes Tal geschaffen hat. Alle Infrastruktur ist allerdings auch weiter oben am Hang, und dort war unsere Radroute auch. Erst einmal 53 Höhenmeter hinaufochsen direkt nach dem Frühstück, man konnte gleich mal ein wenig weinen.

Richtig spektakulär wurde das Tal gegen Ende, als sich Bach und Straße zwischen hohen Felsen hindurchzwängen, eine regelrechte Schlucht ist hier entstanden. Und immer schön leicht bergab – wir flogen nur so dahin.

Dorfbrunnen und schöne Räder in Grüsch.

In Landquart weitete sich das Tal dann plötzlich – wir waren im Rheintal angekommen. Touchdown, sozusagen. Nach einigem Zick und Zack wurden wir auf den Rheindamm geführt. Sehr schön flach und ruhig ging der Flow weiter Richtung Norden.

Gegen 12:00 waren so schon knapp 50 km zusammen gekommen. Jetzt allerdings verdichteten sich die dunklen Wolken und wir beschlossen, einen Mittagssnack zu suchen. Was ja am Montag nicht ganz einfach ist. Zum Schluss wurde es der McDonalds in Triesen im liechtensteinischen. Wo auch Banker und Geschäftsleute speisten, offensichtlich.

Es regnete sich jetzt tatsächlich ein. Wir beschlossen, nach Feldkirch zu fahren – 15 km von unserem McDonalds – und von dort den Zug nach Hause zu nehmen. Wir nahmen ohne große Routenschnörkel die Landstraße, auf der immerhin meistens ein breiter Radstreifen war. Allerdings ein sehr lebhafter Verkehr machten diese 15 km nicht zu unseren angenehmsten. Aber relativ zügig hatten wir sie abgearbeitet und erreichten Feldkirch.

Hier gönnte ich uns noch eine kleine Runde durch die schöne Altstadt, bevor wir zum Bahnhof fuhren. Und dann ging alles ganz schnell und wir waren zu Hause.

Trotz des manchmal suboptimalen Wetters war das alles in allem aber eine großartige Unternehmung und wir sollten gleich fürs nächste Jahr etwas ähnliches planen!

Ofen aus!

St. Maria Müstair, Tschierv, Ofenpass, Ova Spin, Zernez, (Klosters) – Serneus 41 km

Der Wettergott hatte uns erhört und tatsächlich verließen wir schon um halb neun das frostig kalte St. Maria, aber in schönem Sonnenschein und nur ein paar Wölkchen, die den frisch-blauen Himmel zierten. Eine wunderschöne Morgenstimmung, auch die Straße war noch sehr ruhig und das Münstertal ist jedes Mal wieder ein landschaftlicher Genuss. Auf sanft geneigten Hängen wellt sich das breite Tal zum Pass hin. So ist auch die Straße: immer mal wieder deutliche Anstiege, von denen man sich immer wieder auf flacheren Passagen erholen darf.

Heute morgen in St. Maria

Zum Schluss scheint sich der Pass noch daran zu erinnern, dass er als vollwertiger Pass auch Kehren haben sollte und so winden sich gerade mal drei Kehren den zum Schluss steilen Hang hinauf. Zu normal sommerlichem Wetter brüllt die Sonne an diesen Hang und der Pass wird seinem Namen gerecht, heute waren die Temperaturen sehr geeignet, um Ausdauersport in Form von Bergaufkurbelei hier zu verrichten.

Dann war auch bald nach ein wenig innerlichem heimlichen Weinen die Passhöhe erreicht und sofort war klar: heute ist der Ofen aus. Ein bissig kalter Wind von Westen und in unsere Richtung dunkle viel Feuchtigkeit verheißende Wolken. Also nichts wie los, keine Zeit war zu verlieren.

Auf dem Ofenpass. Richtung Westen ist aber voll der Ofen aus…

Die Abfahrt und Weiterfahrt führte uns durch den Nationalpark Engadin. Sehr ursprünglich, dunkler Wald und graue Felsen, die heute noch etwas dunkler wirkten. Viel Verkehr, zum Glück dank mehrerer Baustellenampeln immer schwallweise, was wollten die eigentlich alle dort oben?

Man muss noch einmal einen Minipass überqueren, den Ova Spin, im Prinzip ist das genau eine Rampe, die man von weitem sieht und „ach du je“ denkt, aber diese ist schnell abgearbeitet.

Cosima und ich hatten die Etappe schon mit Plan B beplant: Zug ab Zernez, weil die Wetteraussichten je weiter westlich desto zuverlässig nass versprachen. Cosima trat gleich komplett den Rückzug in die Heimat an, ich wollte mit Thea aber noch die schöne Übernachtung in Klosters mitnehmen.

Thea allerdings war wild entschlossen, den Flüelapass noch zu erarbeiten und schoss dann gleich mal als erste ins Tal, um so viel halbwegs trockene Zeit wie möglich mitzunehmen.

Und tatsächlich war meine Ankunft in Klosters dann deutlich nass und sehr kalt. Uh. Das Hotel war um einiges weiter im Tal. Ich nahm die Radroute – ein schrecklich hoppeliger Schotterweg und natürlich total matschig. Nichtsdestotrotz erreichte ich bald das Hotel, das tatsächlich sehr lauschig direkt am Fluss Landquart liegt.

Nachdem ich selbst gemütlich in der Sauna wieder Wärme in die Knochen getankt hatte, kam Thea dann zum Glück zwar nass und durchgefroren aber ansonsten unbehelligt am späteren Nachmittag an. Es muss schon sehr ekelhaft und anstrengend gewesen sein, sie war allerdings ob der etwas durchgeknallten Leistung sehr euphorisch. Und ich verprach ihr, den Pass bei gutem Wetter noch mal gemeinsam unter die Räder zu nehmen, es muss wohl auch sehr schön sein dort oben.

Sehr gemütlich war das da oben vermutlich nicht….

Jetzt war noch eine letzte Herausforderung des Tages zu bewältigen: das Hotel hatte kein Restaurant, aber wir beide Hunger. Ich hatte in Serneus ein toll wirkendes Restaurant ergoogelt, wo wir trotz Dauerregens beschirmt hinlaufen konnten. Nur – das hatte unerwarteterweise Ruhetag, au weia!

Zwei Damen waren im Dorf ihre Hunde lüften, die fragten wir nach Alternativen. Die einzige realistische Alternative war zurück nach Klosters zu kommen – aber wie? Zu Fuß definitiv zu weit. Aber – in der Schweiz funktioniert der öffentliche Nahverkehr und wie von Zauberhand erschien innert weniger Minuten ein Bus, der uns nach Klosters brachte. Wir nahmen das nächste Restaurant am Bahnhof, etwas edel, aber egal. Der Kellner hatte uns beim Bestellen fast schon wieder vergessen, Thea war schon auf der letzten Rille. Dann konnten wir aber doch schnell bestellen, hatten unser Essen in sensationell wenigen Minuten und schafften sogar den letzten Bus zurück eine Stunde später. Das hätte man nicht besser planen können!

So hatte dieser am Ende schrecklich verregnete Tag doch noch seine sehr denkwürdigen Anteile und wir fanden das alles am Schluss sehr lustig.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Trafoi – Stilfser Joch – Umbrail – St. Maria im Münstertal 31 km

Nur 31 km! Das ist ja was für am Frühstück zwischen Müsli und Rührei. Nun gut, etwas anders sollte sich das schon gestalten.

Das Programm war zunächst mal recht deutlich und zwar schon vom Hotel weg klar: bergauf. Hatten wir am Tag zuvor zwar schon die ersten 600 Höhenmeter erledigt, was allerdings die leichtere Übung dieser Passwertung darstellt. Deswegen ging es vom Fleck weg rauf. Stetig und durchaus auch immer wieder steil gerade in diesem Abschnitt, der über viele Kilometer zunächst durch den Wald führt. Man sieht das nicht so, aber die Beine melden Daueralarm selbst im kleinsten Gang.

Das Geschwindigkeitsmessgerät lief eben auch gerade so über der Messgrenze. Laufen wäre kaum langsamer gewesen. Aber immerhin noch ein bisschen, man hat ja auch seinen Stolz.

Und so kurbelten wir uns Kehre um Kehre hinauf. Zahlreich überholt von leichtfüßigen unbepackten Rennradlern, auch einige elektrisch unterstützte Räder waren dabei. Der motorisierte Verkehr war zum Glück recht überschaubar, wäre doch heute das Autofrei-Event gewesen, wenn das nicht Corona verhindert hätte. Dennoch waren Scharen von Radlern unterwegs, genau, wie wir das vermutet hatten.

Die Mädels waren wieder immer etwas schneller, brauchten aber öfter Päuschen. So trafen wir uns immer wieder und von mir entstanden einige Heldenfotos vom Bergaufkurbeln. Und schon irgendwann war die erste Zahl von den Kehrennummerierungsschildern die Drei! Hurra! Und einige Zeit später mit einigem Gekeuch und ab und zu Schmerz (wenn das weiter sooo steil bleibt, sterbe ich) kamen wir zur Franzenshöhe, wo die Nr. 22 steht und der letzte Abschnitt sich sehr beeindruckend und fotogen am Südhang hinaufschwingt.

Das sieht aus, als ginge es bergab. Weit gefehlt. Mir war warm.

Eigentlich hätte ich hier gerne einen längeren Boxenstopp eingelegt aber die Mädels waren schon weiter. Ich drückte mir zumindest einen Riegel hinein, zog ein wenig Getränk aus dem Beutel und packte dann den letzten Abschnitt an – das Wetter drohte mit massiver Verschlechterung. Dadurch war das schon vernünftig, hier nicht zu viel Zeit liegen zu lassen.

Bei meiner letzten Stilfser-Joch-Besteigung war ich nach Eis und Strudel die letzten 22 Kehren in einem Zug durchgezogen. Das war heute nicht drin. An Kehre 17, 9 und 3 musste ich kurz verschnaufen. Was in dieser Höhe tatsächlich spürbar schwerer ging. Die Steilheit war nämlich tatsächlich zumindest meistens ein wenig moderater hier im oberen Abschnitt, aber man pfeift auf dem letzten Loch.

Kehre 22 und der spektakuläre Rest der Passstraße.

Aber dann – 3, 2, 1 – und – Juhuuuuuu! Was für ein Geackere mit einem Liegerad, aber sehr viel bewundernde Blicke um mich herum. Am Ende hatten wir für die 1200 Höhenmeter tatsächlich die anvisierten drei Stunden gebraucht, inklusive aller Pausen. Aber alles gefahren! Bruno machte uns an seinem Stand einen Bratwurstsandwich, den wir vor lauter erschöpft gar nicht schafften. Und sofort mussten wir alle verfügbaren Schichten über die bis dorthin sehr leichte Radkleidung legen. A***hkalt dort oben.

Und was für ein Rummel! Von Bormio hatte tatsächlich das Radevent stattgefunden und am Pass war alles völlig überfüllt mit Radlern, Fußgängern, Autos und Motorrädern. Schnell noch ein paar Gipfelfotos und dann nix wie weg hier! Grauenhaft.

Souvenirs, Souvenirs….

Kalt, kalt, kalt rollte es sich zum Abzweig Umbrail hinunter. Die Sonne war auch weg, zum Glück waren wir nicht in den Wolken gelandet. Das zahme Hügelchen zum Umbrail half, etwas Wärme wieder in die Knochen zu bekommen, aber auch hier verweilten wir nicht lange. Zähne zusammen beißend stürzten wir uns die grandiose Abfahrt hinunter und tatsächlich biss die Kälte an jeder Kehre ein bisschen weniger. Zum Glück war diese Seite schön ruhig, sodass man die Abfahrt sehr genießen konnte. Freundlicherweise zeigte sich die Sonne heraus und die Straße war im Vergleich zu von vor sieben Jahre weitreichend ausgebessert, damals holperten wir uns noch ins Tal.

Wo wir dann auch sehr früh waren und zunächst einmal mit Heißgetränken die immer noch in den Gliedern steckende Kälte vertrieben. Die Etappe war hier ja schon zu Ende, weiter oben im Tal hatten wir keine Unterkunft mehr bekommen. Aber St. Maria ist ein wunderschöner Ort im gleichwohl schönen Münstertal. Gemütlich ließen wir den Tag ausklingen und hoffen auf halbwegs vernünftiges Wetter morgen. Die Aussichten sind gerade etwas mau…

In St. Maria. Die Sonne war uns nochmal wohl gesonnen.

Kehre 45

Nauders – Reschenpass – Glurns – Prad – Trafoi 48 km

Ein überschaubares Programm war für diesen Tag angesagt. Auf den Reschenpass ist von Nauders aus kaum Arbeit zu leisten, danach geht es rasant hinab ins Tal und dann hatten wir die Übernachtung auf einem Drittel der Höhe des Stilfser Jochs gebucht.

Sehr kühl war es beim Start. Vom Hochsommer keine Spur, es hatte in der Nacht geregnet. Die nicht sehr schichtenweise Kleidung erwies sich aber für die ersten Kilometer doch passend. Es ging zwar nicht wirklich hammerhart alpin den Berg hinauf, aber über die eine oder andere sanfte Anhöhe schaukelte man sich so der Passhöhe des Reschen entgegen.

Am Reschensee.

Am Reschensee ging die Radroute dann rechts herum. Gesperrt vom motorisierten Verkehr schlängelt sich ein schmales Sträßchen am Westufer entlang. Ob der steilen Hänge schwang sich dieses zu Beginn durchaus kräftig immer mal wieder nach oben, sodass sich zur Staumauer hin rasante Abfahrten ergaben. Tolle Landschaft, ein guter Asphaltweg, schön kurvig – ein großer Spaß!

Über einen kurzen Abstecher über die gräßlich vielbefahrene Passstraße – die Radroute war gesperrt – schossen wir weiter abwärts. Immer mal wieder kamen wir durch altehrwürdige verwinkelt-pittoreske Dörfer mit Graffito-Fassaden und krummen und schiefen sehr alten Steinmauern. Burgen auf den Hängen rechts und links, das Vinschgau ist eine wirklich sehenswerte Gegend.

In Mals. Einheimische gab es neben vielen Radlern auch.

Um die Mittagszeit erreichten wir das noch sehr mittelalterlich anmutende Glurns. Viel los, haufenweise Radler und solche mit dicken Reifen, Motor und Lärm. Europa macht in den heimischen Gefilden Urlaub, das war auch hier deutlich zu spüren. Nichtsdestotrotz bekamen wir ein schönes Tischchen an der Piazza und fanden für alle Bedürfnisse einen wohlschmeckenden Mittagssnack.

Dann waren noch 10 flache Kilometer zu absolvieren und wir waren in Prad, dem Talort des Stilfser Jochs. Und danach ging es bergauf. Trafoi liegt 600 m höher und diese waren auf weiteren 10 Kilometern abzuarbeiten. Selten spürbar steil kurbelte ich gemächlich bergauf, allerdings sehr warm war es im Tal, die Sonne war jetzt doch (natürlich auch glücklicherweise) sehr präsent. Das Team wartete immer mal wieder und ich kurbelte ohne Pause an ihnen vorbei, bis Trafoi erreicht war. Die ersten drei der 48 Kehren haben wir jetzt auch schon geschafft und das Hotel liegt genau auf Kehre 45. Dann sind es morgen nur noch 44, ist doch überschaubar für ein Tagesprogramm.

Hotel Madatsch bei Kehre 45.

Ein tolles Hotel: ein altehrwürdiger, etwas grimmig wirkender Steinbau von 1907, wie mir der Chef beim Einchecken erklärte. Aber aufs feinste renoviert und das Abendessen dann auch vom feinsten: 5 Gänge und nach diesem fortgeschrittenen Sportprogramm gingen die sogar in uns hinein. Ein weiterer toller Tag mit viel bester Laune bei allen Teilnehmern war wieder vorbei gegangen.

Am Inn

Bahnhof Ötztal – Landeck – Martina – Nauders 83 km

Der Berg ruft. Der eigentlich autofreie Samstag am Stilfser Joch am 28.08. hatte mich schon letztes Jahr ein Hotelzimmer in Trafoi buchen lassen. Die Autofrei-Aktion wurde coronabedingt zwar abgesagt, nichtsdestotrotz beschlossen mit mir noch zwei weitere coole (oder verrückte) Ladies, dass man das trotzdem machen sollte und dann noch einiges an durchaus nicht ganz ebener Strecke drumrum für eine mehrtägige Tour planen sollte.

Deswegen fuhren wir heute zunächst mit dem Zug nach Ötztal. Hier sollte es schön flach einrollend durchs Inntal bis zu den 11 letzten Kehren vor der Norbertshöhe gehen, um dann in Nauders zu übernachten.

Los geht‘s!

Aber von wegen lockeres Einrollen im Flusstal: der eine oder andere geneigte Leser mag sich an eine ähnliche Situation im Rheintal von Chur nach Disentis erinnern. Das war ziemlich genau so. Schon vom Bahnhof weg ging es munter den Hügel hinauf. Kurz danach stell man fest, dasss es auch hier eine Schlucht gibt, wo man über die zugehörigen Felsen muss, weil eben nur der Fluss selbst im Tal bleibt. Zum Teil mit bis zu 16% ging es hinauf zur – Bundesstraße.

Eigentümlicherweise war hier viel Verkehr, aber ausschließlich ruhender. Da rollt man doch locker vorbei und schnell war auch die Ursache klar: ein total zu Klump gefahrenes Auto stand auf der Gegenfahrbahn und die entsprechenden Einsatzfahrzeuge rundherum. Und auch wir Fahrradfahrer durften erst mal nicht vorbei. Eine gute Viertelstunde wurde unsere Geduld geprüft, bis es weiterging. Dann allerdings mit recht wenig Verkehr eine schön gleichmäßig abfallende Straße herunter – juhuuu!

Danach fanden wir uns am Fluss wieder und nutzten den Innradweg. Sehr schön asphaltiert (was die Rennradfraktion des Teams beglückte) und wunderbar verkehrsarm angelegt. So erreichten wir um die Mittagszeit Landeck, genau richtig für eine kleine Einkehr. Bei einem trendigen Italiener bekamen wir Blutorangenlimonade und eine sehr leckere Burrata. Nicht ganz die Discountvariante, aber Location, Service und Produkte stimmten.

Schöne Holzbrücke. Alle mussten fotografieren.

Nach Landeck biegt der Inn Richtung Süden ab (bzw. eigentlich umgekehrt, er kommt ja von dort) und wir folgten dieser Richtung. Schön, dass der durchaus kräftige Wind jetzt von hinten kam, er blies uns wunderbar immer wieder die Hügelchen des Radwegs hinauf. Auch hier war nämlich wieder ein munteres Auf und Ab.

Zu allem Unglück war kurz nach Landeck ein Riesenschild, was wortreich irgendwas über eine temporäre Sperrung aussagte. Ich las nur die Stichworte „ausgenommen“ und „Radverkehr“, sodass ich nicht mal großartig abbremste und wir weiter fuhren. Irgendwann zwischendrin begegneten uns ein paar Automobile – ja, eng war es schon. Einer der Autofahrer murmelte etwas von „Gendarmerie“ – und ein paar Kurven weiter standen sie schon und hielten uns eine Standpauke, dass wir aus dieser Richtung nur zu jeder vollen Stunde hätten fahren dürfen. Nun gut, sie ließen uns trotzdem weiterfahren.

Die Strecke hügelte sich weiter durch Prutz, Tösens, Pfunds. Dann kam der Augenblick, wo man die Landstraße Richtung Maloja einschlägt und der Verkehr auf der linken Seite des Tals die Bundesstraße bleibt und man mal in der Schweiz, mal in Österreich ist. Und um genau 16:00 erreichten wir das Zollamt Martina, von wo aus der Inn ein letztes Mal überquert wird und man 11 Kehren bis zur Norbertshöhe vor sich hat.

Das Feld trennte sich schnell, die Liegeradfraktion ist bergauf doch deutlich gemäßigter unterwegs. Nichtsdestotrotz wurde Höhenmeter um Höhenmeter erklommen und an der Norbertshöhe trafen wir uns alle wieder, sehr glücklich über die gemeisterte erste alpine Challenge.

Geschafft! Und bis dort sogar trocken geblieben, das Wetter spielte schon wieder „Sommer 2021“.

Nach Nauders ist dann nur noch ein kurzes Stück Abwärtsgeroll (64,8 km/h!!!) und schnell hatten wir unser Hotel gefunden. Insgesamt waren fast genau 1200 Höhenmeter zusammen gekommen. Und das im wesentlichen im Flusstal.

Ans Meer

Sczecin – Goleniów – Stepnica – Wolin – Miedzydroje 76 km

Erst mal wieder raus aus der Stadt. Wir waren am Vortag ja einigermaßen hinein gekommen auf zumeist zumutbaren Fahrradwegen, wollten aber Großstadtverkehr und -Lärm weitestgehend vermeiden. So reifte der Plan, mit dem Zug erst einmal heraus zu fahren und die Radeletappe ländlich beginnen zu lassen.

BRouter zeigte mir diverse Radrouten bis ans Meer an, die ich nur verbinden musste. Über die Qualität der Wege kann man aus der Karte nichts herauslesen, aber ein bisschen Abenteuer darf ja ruhig auch sein.

Wir nahmen die Bahn bis Goleniów (oder früher Gollnow), fanden aber schnell und problemlos heraus aus dem noch recht lebhaften Ort. Es gab sogar Beschilderung für die Fahrradrouten, die ich kombinierte. Allerdings nicht lückenlos, ohne Navigation hätte man ganz schön rätseln müssen.

Dann kam der berühmte Moment, an dem die Radroute in die Natur einschwenkt. Hoppeliger Waldweg. Oh je. War aber nur kurz unangenehm und rollte meistens annehmbar. Und ein Stück sehr ruhige frisch asphaltierte Landstraße war dabei, eine schöne Allee, die hätte länger sein dürfen.

So lagen die ersten 20 km doch relativ schnell hinter uns und wir erreichten Stepnica, was am „Großen Haff“ liegt. Direkt am sehr ruhigen Hafen lag ein Restaurant. Dünne Infrastruktur muss man immer nutzen, also nichts wie hinein in den schönen Biergarten. Und ein wunderschönes Glas-Fachwerkgebäude sicher noch aus der guten alten Zeit, der ostpreußischen Vergangenheit.

Glasfachwerk, ein Kleinod!

Wir fuhren weiter. Die Route führte uns zunächst durch viele Dörfer am Ufer. Meist gut bis akzeptabel asphaltiert, zwischen den Dörfern auf ähnlich schönen Alleen wie zuvor. Und – in Polen scheint man es geschafft zu haben, den üblen Pflasterbelag in den Dörfern zu ersetzen, was man vom Osten Deutschlands nicht behaupten kann.

Es kam wieder dieser Moment mit der Natur wie zuvor schon. Dieses Mal führte unser geplanter Weg nicht im Wald, sondern direkt am Wasser entlang. Und siehe da: ein kilometerlanger Schotterweg, aber rein für die Fahrradroute relativ neu angelegt und ziemlich angenehm zu fahren. Wunderschön angelegt, im Schilf verlaufend, die Schmetterlinge stiebten nur so vor uns auf und zweimal lief ein Fuchs vor uns über den Weg. Das war absolut vom Feinsten und wunderschön.

Infrastruktur ist durchaus vorhanden. Lückenlos ist sie allerdings noch nicht

So erreichten wir Wolin. Kein wirklich sehenswerter Ort, aber ein nettes kleines Restaurant wartete mit südfranzösischen Flair und Ziegenkäse auf uns. Wir stärkten uns, was sich noch auszahlen würde.

Rollte gut in schönster ruhiger Naturumgebung: die Radroute 3

Dann ging es wieder auf die Radroute in die Einöde. Komoot kannte diverse Abschnitte gar nicht und zeigte sie mir als „Off-Grid“ an. Nun gut, BRouter und Waymarked Trails kannten die Route, also los.

Oh je. Gleich der erste Abzweig noch in Wolin setzte uns auf eine sandige Piste. Die überging in ziemlich groben Schotter. Und schnell war der Grund dafür in schwerem Baugerät sichtbar: diese Route war noch im Bau und fuhren durch die Baustelle! Abschnittsweise war schon mal der grandiose Endausbau sichtbar und spürbar, hier mit gut verbundenen Fahrspurplatten. Wenn das mal fertig ist, sollte man den nochmal fahren. Im aktuellen Zustand kamen wir zum Teil nur etwas mühsam voran. Aber alles nicht so schlimm wie vor Angermünde, es ging einigermaßen voran auch auf der neuen Schotterbasis.

13 km vor dem Ziel dann ein ungutes Geräusch und ein Beinahe-Sturz von Jonathan. Ein klassischer Schaltwerkswickler, warum auch immer, geschaltet hatte er in dem Moment nicht. Vermutlich war ein Stein in den Kettenkäfig gesprungen und hatte sich verkeilt. Schaltauge und Schaltwerk waren jedenfalls grotesk verbogen.

Pannenservice im Wald. Im Bild nicht sichtbar: eine Armada Stechmücken.

Wir waren gerade mal wieder im Wald unterwegs. Was zwar schön schattig war aber wir waren in Sekundenschnelle heiß beliebt bei Myriaden von stechwütigen Monstern. Die letzten Tropfen Anti-Brumm wurden auf den ungeschützten Hautstellen verteilt und so einigermaßen geschützt das Rad auf ein Fixie umgebaut. Zum Glück hatte das Hinterrad selbst keinen Schaden genommen und wir konnten die letzten Kilometer fahrend zurück legen.

Kurz nach 19:00 kamen wir am Meer an. Es dauerte alles noch etwas, bis wir die gebuchte Ferienwohnung gefunden hatten, hineinkamen (welcher Schlüssel muss jetzt wo rein???), geduscht waren, in dem sehr belebten Ort ein Restaurant gefunden hatten, in dem es dann auch noch ewig dauerte, bis wir etwas bekamen. Aber wir konnten schon mal barfuß durch den feinen Ostseesand laufen und die erste Zehe in die Ostsee strecken. Eine schöne, abwechslungsreiche, abenteuerliche Radtour hatte wieder ihr Ende gefunden.

Am Meer!

Nach Polen

Felchow- Schöneberg – Schwedt – Gartz – Sczecin 83 km

Die Jugend setzte einen Tag aus, um gewisse Defizite wieder auszugleichen und fuhr mit dem Zug nach Stettin. Deswegen rollten wir heute zu zweit gen Norden. Zunächst ein Stückchen nach Süden, weil unser Übernachtungsort ja nicht ganz auf dem Oder-Neiße-Radweg lag. Das erste Dorf hieß Schöneberg und der Name war Programm. Die Uckermark ist nämlich wieder diese hügelige Ostsee-Endmoränenlandschaft, wo die Gletscher ganz schön Unordnung angerichtet haben. Und Hügel, die der Radler raufkurbeln muss. Und das Wetter recht unangenehm schon morgens schwül und sehr warm sollte es auch noch werden.

Dann aber! Rasant ging es ins Odertal hinunter. Das erste Wasser, was man erreicht, ist die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße. Langer Name für gemütlichen Kanal, auf dessen Deich wir auf 1A Asphalt geschoben von einem deutlichen Schiebewind so dahin rollten. Toller Radweg in wunderschöner Auenlandschaft.

An der Wasserstraße. Lauschige Situation bei Stützkow.

In Schwedt stand ein Eiswagen direkt am Radweg, den konnten wir natürlich nicht auslassen. In Friedrichsthal dann die Überraschung: Umleitung. Vorbei war’s mit dem flauschigen Dahingeroll. Hier ums Eck, dort ums Eck, Waldweg, Platten und dann zumindest ein gut rollender Asphaltweg weiter westlich. Gefühlt totale Einöde, wieder einmal deutsches Outback hier.

Die Umleitung schwenkte dann irgendwann wieder Richtung Osten, wir überquerten eine Straße und hatten einen in dieser Mittagsschwüle sausteilen Monsterhügel vor uns. Ein bisschen Schatten spendeten die Alleebäume, aber das war mal wieder einer der Momente, bei denen man sich fragen musste, ob man denn nicht plemplem ist.

Da waren wir oben. Sieht man natürlich wieder nicht auf dem Bild, wie steil das war.

Wir erreichten dann viel später als erwartet Gartz. Mit Hunger, für den wir die Pommernstube fanden. Sehr gute lokale Küche mit Kräutern direkt aus dem mit viel Liebe angelegten Gärtchen. Überhaupt: eine große Voliere war am Haus, Perlhühner und Sittiche darin, Meerschweinchen mit putzigen Jungen in einer Unterabteilung und Miniziegen nebenan.

Lustige Tier-Außenanlagen bei der Pommerstube in Gartz.

Es ging weiter am Fluss und durch wildeste Natur. Mitten im Grünen war die Grenze nach Polen. Die Wege waren mit Bauzaunelementen zu – warum das denn? Wir änderten das und betraten Polen.

Die Wege hier waren auf keinen Fall schlechter als auf der deutschen Seite. Beschildert war zwar nix so richtig, aber wir hatten unsere Route dabei. Und bald kamen wir in den Einzugsbereich von Stettin, das erste, was am Wegesrand bzw. am Straßenrand zu sehen war, war ein riesiges Amazon-Logistikzentrum. Was vermutlich ganz Ostdeutschland beliefert zu billigeren polnische Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen.

Schönes Feldsteinkirchlein in Polen.

Die Fahrt ins Zentrum von Stettin hinein war dann zwar recht abenteuerlich, aber man hat schon schlimmere Städte in ihren Außenbezirken durchquert. Immerhin gab es eine durchgängige Fahrradroute, wenn auch der Zustand stark schwankend war.

Aaargh!

Ein 12%-Hügel in der Vorstadt stellte sich uns noch einmal in den Weg (Frechheit), aber dann war das Hotel schnell erreicht. Zum Abendbrot versorgte uns ein angenehmes kleines Restaurant und ich unternahm danach noch einen kleinen Spaziergang an die schönen Orte, die hier durchaus vorhanden sind. Meist eine bunte Mischung aus gut sanierter preußischer Bausubstanz, etwas verlotterten alten Gebäuden und sozialistischer Platte. Leider sehr verkehrsverseucht mit haufenweise polnischen PS-Protzern. Die Mobilitätswende scheint hier noch kein Thema zu sein. Nichtsdestotrotz sehr interessant, eine polnische Stadt diese Größe etwas kennenzulernen!

In Stettin am Heumarkt. Schon auch schön!