Archiv der Kategorie: Tour de France 2013/2014

Rückzug

Nicht Barcelona sollte der Terminus sein, sondern Carcassonne. Bin schon wieder zuhause. Grahams Frau ging es so oder so nicht gut, und am Dienstag abend kam noch eine angsteinflößende Diagnose dazu. Alleine wollte ich dann auch nicht weiter weil zum ersten waren die Wetteraussichten immer noch nicht entscheidend besser, zum zweiten hatte ich mir sowieso eine schmerzhafte Reizung an der linken Achillessehne angekurbelt, die mindestens einen Tag Pause gebraucht hätte und zum dritten wäre es ohne Graham sooo viel weniger nett. Also trat ich solidarisch mit ihm den Rücktritt am Bahnhof in Carcassonne an.

Im französischen TER – Fahrradmitnahme kostenlos und meistens ganz ordentlich gelöst

Ich konnte auch gleich losfahren, da mit unreserviertem Fahrrad sowieso nur Nahverkehrszüge problemlos benutzbar sind, dafür fahren die quasi ständig. Ich schaukelte also am Rest dieses Tages gemütlich durch Frankreich mit Umstieg in Narbonne (nur Treppen, wtf), Avignon (gottlob mit Aufzug und Rolltreppe) und Lyon (dort gottlob auch). Die SNCF-Dame am Schalter hatte mir auf gut Glück mal Tickets bis Lyon ausgestellt, wo ich am späten Nachmittag ankam. Nach stundenlanger Recherche verschiedenster Bahn-Apps fand ich heraus, dass ich noch bis Aix-les-Bains kam und von dort einigermaßen früh nach Genf. Ab dort ist man alle Probleme los: der Umstieg dank Rampen immer barrierefrei, die Züge pünktlich und quasi alle mit Fahrradmitnahme. Nur den Neigetechnik-IC von Genf muss man reservieren, was aber dank der genialen App der SBB kein Problem ist. Ja, in der Schweiz kann man per App Fahrradtickets kaufen UND Fahrradplätze im Zug reservieren! Warum schaffen die das bei uns nicht?

Das Hotel Savoy mit ganz viel Charme verflossener Tage

Das Hotel Savoy mit ganz viel Charme verflossener Tage

In Aix-les-Bains sollte dann also meine letzte französische Station sein. Nicht die schlechteste Wahl. Sehr viel kleiner und überschaubarer als z. B. Lyon gewesen wäre, aber sehr sehenswert. Malerisch von Bergen umgeben am Lac du Bourget gelegen, an dem auch die Bahn sehr pittoresk entlang fährt. Und quasi die ganze Stadt voller Belle-Epoque-Fassaden, Stuck hier und schmiedeeiserne Balkongitter dort. Und in genau so einem schnuckligen Haus mit knarzenden Bodendielen und schmachtendem Kronleuchter im Frühstücksraum fand ich ein nettes Hotel, das Hotel Savoy. Und hatte abends ein ausgezeichnetes Savoyer Schnitzel: Hähnchenbrust mit Reblochon gefüllt und mit Speck umwickelt, in einer Käsesauce im Ofen gegart.

Am Folgetag dann noch die erwähnte Durchquerung der Schweiz, dieses Mal erwartungsgemäß hundertprozentig problemlos und entspannt. Zum Schluss die Querung des Sees mit der Fähre, dann die letzten 8 km per Rad nach Hause, wo ich sofort von den besten Nachbarn der Welt mit selbst gebackenen schwäbischen Seelen und Kaffee in Empfang genommen wurde.

Es ist natürlich ein bisschen traurig, dass wir die Unternehmung so abrupt abgebrochen haben, aber am allerwichtigsten ist, dass Sylvia – Grahams Frau – gesund wird! Bitte Daumen drücken!

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Flusstäler

Der Tag begann und endete in Regenhose. Zu Beginn im wesentlichen wegen der Temperatur – je nach Wetter-App-Version lag diese heute morgen zwischen 3 und 5°C. Hallo, Südfrankreich?
Die geplante Route für den heutigen Tag verlief vollständig durch Flusstäler. Bis Millau folgten wir dem Dourbie und den gleichnamigen Gorges. Obwohl sich der Himmel meistens sehr unfreundlich grau zeigte, waren wir doch begeistert ob des pittoresken Tals. Kühn schmiegen sich auch hier die Dörfer an die steilen Hänge beiderseits des Tals. Weiter oben an den Hängen waren die gewaltigen Felsschichten der ‚Causses‘ zu sehen. Und schon wieder so gut wie keine Automobile unterwegs!
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Um die Mittagszeit erreichten wir Millau. Just als ein heftiger Schauer darnieder ging, saßen wir in einer Brasserie beim Mittagessen und lobten uns für die gute Zeitplanung.
Unter dem gewaltigen ‚Viaduc de Millau‘ durch ging es weiter westwärts durch das Tal des Tarn. Auch das wunderschön, etwas lieblicher als das von schroffen Felsen geprägte Dourbie-Tal. Und die Sonne zeigte sich sogar von Zeit zu Zeit. Unterbrochen allerdings von zum Teil heftigen Schauern, die uns zu ganz schön begossenen Pudeln machten. Natürlich waren sie immer dann besonders kräftig, wenn man dachte, dass das bestimmt gleich aufhört und die Regenhose natürlich nicht anhatte. Und natürlich war genau dann wieder Schauer, wenn man gerade eben so abgetrocknet war. Und schön kalt und fies windig – zumindest je nach Mäander-Richtung des Flusses – war es auch noch.
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Nach einer weiteren Kaffeepause und einer beeindruckenden Vesperportion mit Schinken, Wurst und Käse zeigte das Tal deutliche Schlucht-Tendenzen. Noch schöner, aber mit überdeutlichen Hügeln verbunden, Hinaufkeuchen und Runterstürzen im Wechsel. Dafür immer wieder wunderschöne Ausblicke.
Unser Zielort war Brouqiès, es sah aus wie ein etwas größerer Ort, wo sich bestimmt ein Hotel oder Ähnliches befinden müsste. Leider verloren! Tourismus gibt es wohl in ausreichendem Maß nur weiter oben im Tal. Die Nachfrage bei einer offensichtlich ortsansässigen Dame ergab 10 km bergauf im nächsten größeren Ort. Sehr bergauf, 300 Höhenmeter hätte dieser Ort bedeutet. Dann fiel ihr noch ein, dass in etwa drei km Entfernung in La Caze jemand eine Gîte vermietete, was sie aber mit wenig Optimismus empfahl. Nun gut, lag sowieso an der Straße zu dem nächstgrößeren Ort.
Auch La Caze war erst nach einem gefühlt unendlichen Hügel erreicht. Und tatsächlich – ein Hinweisschild. Ich war wenig optimistisch, weil Gîte zumeist Fereinhäuschen bedeutet, was man normalerweise nur für eine Woche bekommt.
Und es sah auch zunächst nicht gut aus, ein großes Tor mit Klopfer, aber niemand reagierte auf unser vielleicht zu zaghaftes Geklopf. Es waren aber Nachbarn zugange, die sich auf unsere Nachfrage durch das Tor trauten. Es war tatsächlich jemand zu Hause, ein englisches Ehepaar, wie sich herausstellte. Die Lady wiegelte ab – wir müssten die Betten selbst beziehen und der Boiler müsste auch erst angestellt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass es doch schon recht spät war und wir mit dem Fahrrad unterwegs und nur noch steile Kilometer zum nächsten Hotel rundherum lagen, willigten diese wunderbaren Menschen ein, dass wir in ihrem schönen Häuschen übernachten durften. Und versorgten uns mit einem Nudelgericht, Brot und einer Flasche Rotwein. Und mit WLAN. Gerettet.
So sitzen wir gesättigt und wieder aufgewärmt beim künstlichen Kaminfeuer und sind unglaublich froh!
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Mont Aigoual

Bergwertung. Und was für eine! Lang. Intensiv. Fast völlig verkehrsfrei. Wunderschöne Landschaft. Wildblumen. Rundumblick.
Blauer Himmel und im Gegensatz zum Tag zuvor fast völlige Windstille bescherten uns einen optimalen Start. Es ging auch gleich zur Sache, wir hatten ja im Talschluss übernachtet, deswegen war jetzt Bergstraße das Programm. Die Steigung aber die ersten zehn Kilometer durch die Bank sehr angenehm, nie wirklich steil. So kurbelten wir uns aus dem Tal der Borgne hinaus, immer wieder einen schönen Ausblick auf winzige Bergdörfer auf ihren eigenen Hügeln gelegen, zunächst von unten, ein Weilchen später von oben.
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Verkehr gab es quasi keinen auf dieser Straße. Es mögen uns auf diesen Bergsträßchen heute 30 Autos begegnet sein, bestimmt nicht wirklich mehr. Ich habe das starke Gefühl, noch nie so verkehrsarm auf Europas Straßen unterwegs gewesen zu sein.
Zwischendrin wurden mal zwei steile Kilometer geboten. Dort war meinerseits Rohloff Eins angesagt, damit aber gut zu machen. Und dieses
Steilstück wurde – wie letztes Jahr im Schweizer Jura – mit Wiesen voller wilder Osterglocken belohnt. Wunderschön.
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Dann noch mal 7 km auf breiterer und etwas flacherer Straße. Vier Kilometer vor es Gipfel schlug Graham eine Snackpause vor. Ich zwiebelte mir einen Zauber-Proteinriegel rein, der kaum zu kauen war und eigentlich furchtbar schmeckte. Aber nur kurze Zeit nach diesem letzten Aufbruch zog der Booster und ich haute mir die letzten Kilometer rein, als wäre ich frisch wie der junge Morgen. Krasser Effekt, hätte ich nicht gedacht.
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Und dann das Gipfelerlebnis! Nach 27 km harter Arbeit aber wirklich eine Belohnung par Excellence. Vom zweithöchsten Gipfel der Cevennen hat man einen Rundblick in buchstäblich alle Richtungen, an klaren Tagen von den Pyrenäen zum Mittelmeer und zum Mont Blanc. Ganz so viel sah man heute nicht, aber nichtsdestotrotz ein Hammerausblick.
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Die Abfahrt war ebenfalls herausragend. Über vierzig Kilometer, von denen. auf etwa drei ein ganz leichter Gegenanstieg zu vermerken war. Meistens auf guten Straßen und auch hier wieder nie wirklich steil: man konnte es oft einfach so laufen lassen. Auch hier wieder spektakuläre Ausblicke auf ausgesetzte Dörfer und felsige Schluchten. Und als man sich dem Talgrund näherte, taute man auch langsam wieder auf, war doch ein recht fieser Nordwind unser Begleiter gewesen.
Noch ein Stückchen legten wir im Tal des Dourbie zurück, beschlossen aber, im sehr einladend wirkenden Ort Nant zu bleiben. Der Bäcker half uns mit mehreren Telefonaten bei der Unterkunftssuche. Wir landeten im wunderschön am Bach gelegenen Hotel Durzon, und speisten downtown mal wieder exzellent. Nur der Regen, der uns beim Rückweg um Hotel ziemlich nass machte, hätte nicht unbedingt sein müssen…

Cevennen

Kontraste sind ja etwas tolles, aber gleich so?
Der Tag begann mit Regen. Auch beim Start konnte er sich nicht entscheiden, einfach mal uns zuliebe aufzuhören und so legten wir unter den mitleidigen Blicken unserer extrem freundlichen Chambre d’hôte-Betreibern die Regenrüstung an.
Bis Anduze hatte sich das auch sehr gelohnt. Erst dann, etwa eineinhalb Stunden nach dem Start ließ es etwas nach. Und wir fanden endlich einen Laden, wo wir uns etwas verproviantieren konnten. Und einen Geldautomaten, wenn auch der erste mir kein Geld geben wollten’s ich zunächst panisch bei meiner Bank anrief, allerdings noch während des
Telefonats einen weiteren entdeckte, der mir dann auch klaglos Geld hergab.
Weiter ging es von immer höheren bewaldeten Hügeln flankiert nach St.-Jean-Du-Gard. Eine alte Bahnstrecke, die von einer Museums-Dampfeisenbahn befahren wird (die heute aber frei hatte) begleitete uns sehr pittoresk.
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Nach St.-Jean entschieden wir uns spontan, doch nicht die Corniche – also die Kammstraße zu nehmen: schon im Tal blies uns der Wind zum Teil aufs heftigste an, blöderweise oft direkt von vorne. Die nächsten Kilometer waren auf sehr ruhigem Sträßlein, aber immer leicht bergauf und Gegenwind. Kein wirkliches Vorwärtskommen so.
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In St.-André-de-Valborgne waren dann auch noch nicht wirklich viele km an diesem Tag zusammen gekommen, aber in Anbetracht anstehenden wirklichen Bergwertung, des immer noch ziemlich schlechten Wetters und ekligen Gegenwinds und der Tatsache, dass weit und breit keine größere Ansiedlung im Programm war, entschieden wir uns, hier zu bleiben. Dafür gaben wir uns noch ein paar gepäcklose Kilometer bis zum Talschluss. Und wir hatten Zeit, diesen einmal echt großen Ort etwas zu erkunden- noch im 18. Jh. lebten hier annähernd 2000 Personen, jetzt gerade mal etwas mehr als 400. Dementsprechend wirken sehr viele Häuser, die sich eng am Hang aneinander kuscheln, verrammelt und verlassen. Nichtsdestotrotz speisten wir wieder im Restaurant unseres Hotels vorzüglich.

Südfranzösischer Sommer

Recht spät brachen wir auf diesen Morgen. Graham war sehr spät angekommen, zum Glück ziemlich pünktlich nach für ihn funktionierender Zugverbindung, 24 Stunden von Südwestengland. Und wir mussten natürlich noch kurz beide das vergangene Jahr Revue passieren lassen, deswegen war ein gemütlicher Start geplant.

Am Start, mitten in Avignon

Am Start, mitten in Avignon

Ziemlich schnell hatten wir den Ausgang aus Avignon gefunden. Einmal über die Rhone drüber (nein, nicht über die halbfertige Brücke und dann schwimmen, man hat inzwischen fortschrittlichere Modelle gebaut) war man sofort raus aus der Stadt und fand sich auf lauschigem fast zugewachsenen Sträßlein wieder.
In Aramon trafen wir Frank, den ich seit letztem Jahr aus der Google+-Radel-Community kenne. Er war aus Pernes-les-Fontaines hergeradelt extra um uns ein Stückchen zu begleiten. So plauderten und radelten wir in das nächste Dorf, wo wir in einer sehr französischen Bar die vormittägliche Kaffeepause zu dritt genossen. Social Media ist klasse 🙂
Weiter ging es in gemütlichem Takt zum Pont Du Gard. Dieser ist inzwischen autofrei, aber dafür nur nach Entrichtung einer Eintrittsgebühr zu überqueren. Vor ca. 30 Jahren konnte man noch mit dem Automobil drüber fahren und auf dem beeindruckenden Monument ganz oben auf den Deckelplatten umher laufen. Bei starkem Mistral war das noch beeindruckender damals – vermutlich auch für die Lehrer, die damals noch Aufsicht über unsereines führen mussten…
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Immer wärmer wurde es mit fortschreitendem Nachmittag. Wir wähnten uns zeitweise kurz vor der Sahara, die ersten Kakteen und Palmen nebst dem üblichen Ginster und Klatschmohn (und Zypressen und Pinien und und und….) waren schon am Straßenrand hier und dort wahrzunehmen. Wir wurden also ohne Gnade direkt in den südfranzösischen Sommer katapultiert heute.
Daher forcierten wie das Tempo nie, rollten unangestrengt über sanfte Hügel und fanden wie auf Befehl nach nahezu exakt 80 km (reicht für einen ersten, heißen Tag, oder?) ein wunderhübsches Chambre d’hôte mit supernettem Wirtsehepaar nebst wuscheligem Hund, der nach eingehender Prüfung der Räder sofort Freundschaft mit uns schloss.
Vézénobres, das ist unser heutiges Etappenziel, ist ein wunderschönes mittelalterliches Dorf, komplett saniert und malerisch auf einem Hügel gelegen. Und wir fanden sogar ein sehr hübsches Restaurant dort, wo wir die Energiespeicher mit einer exzellenten Lammtajine wieder befühlen konnten.
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Langetappe.

So schön war der reisebeginn auf der Fähre.

So schön war der Reisebeginn auf der Fähre.

Da war er endlich, der Abreisetag.
Früh schon machte ich mich begleitet von Stefan (der nur wegen mir und der Anschiednahme ebenfalls für ihn unmenschlich früh aufstand) auf den Weg. Um 06:41 nahm ich die Fähre über den See. Genau so hatte ich meine Rückreise das letzte Jahr beendet. Der schönst vorstellbare Sonnenaufgang begleitete mich über den See. „Warum fährst Du eigentlich so weit weg?“ schien er zu fragen. Man braucht auch mal Tapetenwechsel, falls er noch mal fragt.

In Romanshorn mal eben ganz klassisch am Schalter eine Fahrkarte gelöst, Zug geentert, Fahrrad in die dafür vorgesehenen Einhänghalterungen hinauf gewuchtet. Alles entspannt.

Der erste Umstieg erfolgte in Bern. Immer noch entspannt über die unglaublich genialen Bahnsteigrampen aufs korrekte Gleis gegangen, dort die Anzeige gecheckt – Au weh, Zug nach Genf unbestimmt verspätet?
Die Durchsage folgte postwendend und verhieß nichts Gutes: Bahnstrecke nach Genf unterbrochen. Man sollte den Regionalzug nach Biel nehmen und von dort nach Genf weiter. Nur schade, dass meine in vielen Stunden Recherche ausgeklügelte Verbindung einstürzte wie ein Kartenhaus.
Aber da ich bahntechnisch ja durchaus versiert bin, hatte ich sowieso eine Verbindung mit Backup. Das hieß statt 11:59 ab Genf drei Stunden später, bzw. zwei Stunden Aufenthalt in Genf. Genf?

Da war ich doch schon in Biel und mir fiel ein, dass eine Klassenkameradin dort lebt und ein kleines Business hat, Facebook sei Dank haben wir so ein bisschen Kontakt. Und da dieses wenige Radelminuten vom Bieler Hauptbahnhof entfernt lag, beschloss ich, auf gut Glück mal vorbei zu schauen.

Margarete war tatsächlich dort und die Überraschung war perfekt. Sie freute sich sehr und wir hatten ein nettes Stündchen, wo wir mal eben die letzten 34 Jahre Revue passieren ließen – so lange hatten wir uns nämlich nicht mehr gesehen. Ich finde das immer unglaublich interessant, welche Wege das Leben der Leute aus der Jugend nimmt.

Dann weiter im Neigetechnik-IC nach Genf (Achtung: Reservierungspflicht für das Velo). Wunderschön die Bahnstrecke an den Schweizer Seen entlang! Teilweise exakt neben der Strecke, die wir im letzten Jahr geradelt waren. In Genf noch mal ein Stündchen bei Kaffee und Heidelbeermuffin verbracht, dann den Nahverkehrszug nach Valence bestiegen.

In Valence legte ich einen kurzen Shoppingstop ein. Zwei wichtige Dinge hatte ich bis dort nicht im Gepäck: eine SIM-Karte für mobiles Internet (überlebenswichtig) und eine ganz traditionelle papierne Landkarte der wohlbekannten Marke „Michelin“. Freundlicherweise bot mir das Valence mit wenig Aufwand, ganz einfach und fahrradfreundlich war die FuZo schnell erreicht.

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Dann wieder zurück zum Bahnhof, dort noch ein Thunfischsandwich und eine Dose Kronenbourg erstanden und endlich in den letzten Zug nach Avignon eingestiegen. Der Ventoux zeigt sich bald zur Linken, majestätisch angeleuchtet von der mittlerweile untergehenden Sonne. Pünktlich war Avignon dann erreicht – nicht mal drei Stunden später als geplant ;-), Hotel bezogen, Fahrrad wieder im Konferenzraum geparkt und jetzt fehlt nur noch Graham, der um 23:08 ankommen soll.

Avignon – Barcelona

Ein neues Radabenteuer steht unmittelbar bevor!

Im letzten Jahr radelten Graham und ich von meinem Heimatort am Bodensee bis nach Avignon in Südfrankreich. Da lag es quasi auf der Hand, die Tour ein Jahr später dort einfach fortzusetzen. Wir werden uns also am 23. April dort treffen und wieder zwei Wochen lang in südwestliche Richtung weiter radeln. Das Ziel ist Barcelona und wir nehmen freiwillig verschärft hügelige Gegenden unter die Räder. Auf kurvigen einsamen Sträßlein werden wir in den Cevennen unterwegs sein und den Querriegel Pyrenäen, der sich uns auf der Reise nach Spanien entgegenstellt, kurbelnderweise überqueren. Tolle Landschaften, lauschige Dörfer und rauschende Abfahrten werden jeden Schweißtropfen wert sein.

Avignon-Barcelona

 

Die Route ist geplant, wieder einmal ist es spannend, ob die Realität nicht noch bessere Routen zu bieten hat. Ziemlich genau über 1000 km führt die Route und ein paar Höhenmeter werden sich nicht vermeiden lassen – wir haben dieses Programm ja freiwillig gebucht 😉

 

In wunderschönen (englischen) Worten hat auch schon Graham über die Fortsetzung der letztjährigen Radtour auf seinem Blog geschrieben.

Tour de France 2013

Nun bleibt nur noch die Zusammenfassung dieser wunderschönen Tour:

Die gesamte Strecke könnt Ihr bei GPSies ansehen oder herunterladen.

Und wer mag: hier auf Google+ alle Fotos.

Radeln wie Gott in Frankreich

Alle schönen Tage in der richtigen Reihenfolge:

1.5.2013: Geroll.

2.5.2013: Busy.

3.5.2013: Spätwinter.

4.5.2013; Kontrast.

5.5.2013: Fleißig.

6.5.2013: Gerettet.

7.5.2013: Obendrüber.

8.5.2013: Feiertag.

9.5.2013: Provence.

10.5.2013: Mediterran.

11.5.2013: Windig.

12.5.2013: Ultimo.

Ultimo.

Sault – Pernes-les-Fontaines – Avignon

80 km

Hach je, das war es jetzt. Auch diese Tour fand ihr Ende. Wie gemein das immer ist.

Wir starteten begleitet von einem nach wie vor Kühlschranktemperaturen bereitenden frischen Wind. Zunächst waren nur die Bremsen zu betätigen, waren doch bis ins Rhônetal fast 700 Höhenmeter zu gewinnen. Der letzte landschaftliche Höhepunkt sollten die Gorges de la Nesque sein. Von wegen: mal sehen, ob wir unser Gorges-Ranking noch mal neu ordnen müssen.

Ich zeigte Graham noch den gewaltigen Felsschlund, in den wir bald hineintauchen sollten und wunderte mich zunächst nicht über die kleine Anhöhe, über die unsere aktuell benutzte Straße führte. Und es ging immer noch weiter den Hügel hinauf. Irgendwann tauchte dann eine beschilderte Kreuzung auf und schlagartig wurde mir klar, dass ich warum auch immer das Loch zu den Gorges verpasst hatte.

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Die Gorges de la Nesque. Von oben, allerdings…

Schimpfend wie ein Rohrspatz (mein Computer hatte sich am Vorabend nämlich standhaft geweigert, eine Route auf mein GPS zu übertragen) beschloss ich allerdings, die Gorges aus der Planung zu streichen und dieser Strecke ‚obendrüber‘ weiter zu verfolgen. Und das Geschimpf hätte ich mir sparen können: eine wunderbare Strecke war das, die ich aufgrund der zusätzlichen knapp 250 Höhenmeter so nie gewählt hätte. Immer wieder weit reichende Ausblicke, den Mont Ventoux ständig im Hintergrund heute so klar wie selten. Und zur allerbesten Unterhaltung wurden wir Zeugen einer Oldtimer-Rallye mit so richtig historischen Schnauferln – wir hatten sogar die Möglichkeit, an einem Posten ein wenig  mit einem der Piloten zu plaudern.

Oldtimer

Eine veritable Oldtimerrallye!

Und die zusätzlichen Höhenmeter bescherten uns einen gewaltigen, nie enden wollenden Downhill auf einer zwar wieder etwas rütteligen aber ganz wunderbar verkehrsarmen Straße. Auf einer Strecke von ungefähr 10 km kann ich mich kaum erinnern, jemals etwas anders als die Bremshebel betätigt zu haben.

Ventoux

Der Ventoux heute, so klar wie selten.

In Méthamis dann den obligatorischen Vormittagskaffee mit Croissants und dann galt es, die kleinen Sträßchen herauszufischen. Die größeren waren zwar nicht so wahnsinnig stark befahren heute am Sonntag, aber oft recht ungeschützt und der Nordwind packte uns immer wieder von rechts und beutelte uns in Richtung Straßenmitte.

Aber wir gelangten auf fast ausschließlich wunderbar ruhigen Bauernsträßchen nach Pernes-les-Fontaines, wo wir zunächst gefühlt stundenlang im Ort umherkreuzten, um irgendetwas zum Mittagessen zu bekommen. Also Städtchenbesichtigung gleich inklusive.

Nach weiteren ca. 20 km Nebenstraßenzusammengepuzzel hatten wir schlussendlich das Ortsschild von Avignon erreicht und mussten nur noch dieser Straße bis ins Zentrum folgen. Zum Glück landeten wir an einem Sonntag Nachmittag – Avignon scheint sehr verkehrsverseucht zu sein. Radspuren sind zwar auch dort inzwischen allenthalben markiert, aber zum großen Teil albern schmal und nicht wirklich gut geplant.

pont de lavignon

Und zum Schluss die halbfertige Brücke in Avignon. Dass die die auch nie fertig bekommen!

Die Räder dürfen im Besprechungsraum des ibis nächtigen, wir selbst hatten noch eine Runde durch Avignon und fanden ein nicht mehr ganz so preiswertes aber wieder extrem gutes kleines Restaurant etwas abseits, das offensichtlich bzw. gut hörbar in englischsprachigen Reiseführern empfohlen sein muss. Auf jeden Fall speisten wir wieder einmal ganz hervorragend und zelebrierten unsere wirklich gelungene Unternehmung!

Übernachtung: ibis direkt am Bahnhof

Windig.

Sault – Mont Ventoux – Sault

52 km

Mistral. Volles Programm. Sonne pur, aber heftiger, kalter Wind. Und oben auf dem Berg natürlich um einiges heftiger.

Der Mont Ventoux sollte so ein wenig der Höhepunkt der Tour werden. Rein von der Meereshöhe ist er das ja auch, höhere Pässe hatten wir ja keine im Programm. Da wir ja erst morgen abend in Avignon sein müssen, war für heute Bergwertung – eben der Mont Ventoux – ohne Gepäck geplant.

So brachen wir nach gutem kontinentalen Frühstücksbuffet mit unglaublich leicht wirkenden Rädern auf. Zunächst mal wieder runter ‚ins Loch‘, da Sault – wie es sich für ein ordentliches provencalisches Dorf gehört – selbstverständlich auf einem deutlich wahrzunehmenden Hügel liegt. Die Nesque auf einem Brücklein überquerend ging es dann los mit 26 km Bergaufgekletter.

Der Mont Ventoux kennt drei Aufstiege: von Westen von Malaucène, von Süden von Bédoin und von Osten von Sault. Der letzte ist der am wenigsten Blut Schweiß und Tränen fordernde und da wir ja keine 20 mehr sind, wählte ich den letzteren. Mont Ventoux für Anfänger, sozusagen.

Im unteren Teil, d. i. die ersten 20 km ist er auch nie extrem steil. Den größeren Einfluss hatte der Wind – je nach Richtung der Gerade zwischen den Kurven blies er einem entweder aufs äußerste ins Gesicht und veranlasste die Rückschaltung oder aber er schob ganz wunderbar von hinten. Auf manchen recht flachen Passagen düste ich mit über 20 km/h zur nächsten Kurve, um von der nächsten Bö gefühlt niedergeknüppelt zu werden.

Der Aufstieg von Sault hat noch einen Vorteil: nach 20 km, wo die Straße von Bédoin in die Passstraße einmündet, erreicht man ein Bergrestaurant, was sich prima für eine Stärkung vor den letzten 6 km eignet. So saßen wir dort und beobachteten die wahren Radlermassen, die sich nun aus zwei Richtungen die von hier aus beachtliche Rampe hinaufkämpften. In der Summe waren heute mit Sicherheit erheblich mehr Menschen auf muskelbetriebenen Zweirädern unterwegs, was ja gut ist, da die alle nicht in platzraubenden Automobilen saßen. Die meisten aber zu 95% eher der Carbon-Lycra-Fraktion angehörend fielen wir mit unseren Normalorädern fast schon auf. Ein paar Superverrückte mit megabeladenen Tourenrädern waren auch unterwegs. Ein Leipziger hatte nach eigener Aussage 50 kg auf sein Rad geladen, was man auch glaubte. Und – später konnte sogar ein Bullitt beim Aufstieg beobachtet werden. Allerdings nicht wirklich beladen.

Ventoux

Man näherte sich. Der Gipfel sammelt gerne Wolken ein.

Nach der Kaffee- und Heidelbeerkuchenpause im Château Renard gaben wir uns die letzten 6 km. Diese sind dann doch recht steil, der Wind war noch heftiger und man kurbelt nach bis dort waldigem Aufstieg eine bizarr wirkende Mondlandschaft hinauf. Und hat von dort aus immer den Blick auf das Ziel und die Straße nach oben und das Gefühl, dass man eine enorme Rampe vor sich hat. Zum Schluss nutzte ich doch recht durchgängig meinen Rohloff-ersten Gang.

Mondlandschaft

Ganz schön steil auf dem Mond.

Aber wir kamen an. Trotz Wind, der einem ziemlich umher beutelte und dauernd steiler Rampe. Was für ein Gipfelglück!

Nach einem Kaffee und einer Kleinigkeit zu essen traten wir den Rückzug an, auf derselben Strecke wie hinauf. In Anbetracht der Temperaturen legten wir eine Schicht auf, die Regenklamotten dienten heute dem Windschutz und vermutlich wäre ich ohne sofort verstorben. Graham packte sogar seine dicken Winterhandschuhe aus.

Boah, und das Steilstück abwärts mit diesem Wind war dann auch wirklich eine Herausforderung. Man fährt dann ja auf der Seite der Hangkante, die so eben überhaupt nicht gesichert ist, wird noch überholt von Autos und Motorrädern und der böige Wind fasst einen alle 50 Metern anders an. An einem wirklich steilen Stück  packte mich der Wind so stark von vorne, dass ich ohne zu treten gerade eben nicht zum Stillstand kam. Puha. Und kalt war das plötzlich, nur noch mit dem Betätigen der Bremshebel beschäftigt!

Tatsächlich überlebten wir auch das, und das waldige Stück war dann wieder leichter. Abgesehen davon, dass man stellenweise gut durchgeschüttelt wurde. Offensichtlich hat der Franzose wenig zum Erhalt der Straße getan, ich hatte die Abfahrt von vor 24 Jahren als wesentlich ’smoother‘ in Erinnerung.

Und später wieder ganz weit weg, der Ventoux.

Und später wieder ganz weit weg, der Ventoux.

Zum Schluss galt es noch den Wiederaufstieg ins Dorf zu überleben, was mit den eingefrorenen Gräten im ersten Moment unmöglich schien. Dann aber gab es ein verdientes Bier auf dem Dorfplatz, von wo aus man sogar einen Ausblick auf den Gipfel hatte.